Grundlagen der Piezotechnologie

Vom physikalischen Effekt zur industriellen Nutzung

Das Wort „Piezo“ ist vom griechischen Wort für Druck abgeleitet. 1880 entdeckten Jacques und Pierre Curie, dass Druck in verschiedenen Kristallen wie Quarz und Turmalin elektrische Ladungen erzeugt; sie nannten dieses Phänomen den „Piezoeffekt“. Später stellten sie fest, dass elektrische Felder piezoelektrische Materialien verformen können. Dieser Effekt heißt „inverser Piezoeffekt“.

Der industrielle Durchbruch kam mit den >> piezoelektrischen Keramiken, als Wissenschaftler entdeckten, dass Bariumtitanat-Keramik durch Anlegen eines elektrischen Feldes piezoelektrische Eigenschaften in nutzbaren Größenordnungen annimmt.

Der Piezoeffekt wird heute in vielen alltäglichen Produkten angewendet, zum Beispiel in Feuerzeugen, Lautsprechern und Signalgebern. Auch in der Kraftfahrzeugtechnik hat sich die Piezoaktorik durchgesetzt, denn piezogetriebene Einspritzventile in Verbrennungsmotoren verkürzen die Stellzeiten und verbessern die Laufruhe und Abgasqualität erheblich.

In piezoelektrischen Materialien bewirkt eine Druckeinwirkung, dass Ladungen an den Oberflächen entstehen. Dieser direkte piezoelektrische Effekt, auch Generator- oder Sensoreffekt genannt, wandelt mechanische in elektrische Energie um.

Umgekehrt bewirkt in diesen Materialien der inverse piezoelektrische Effekt eine Längenänderung beim Anlegen einer elektrischen Spannung. Dieser Aktoreffekt wandelt elektrische in mechanische Energie um.

Der piezoelektrische Effekt tritt sowohl in einkristallinen Materialien als auch in polykristallinen ferroelektrischen Keramiken auf. In Einkristallen genügt als Voraussetzung eine Asymmetrie im Aufbau der Elementarzellen des Kristallgitters, d. h. eine polare Achse, die sich unterhalb der Curie-Temperatur Therausbildet.

Piezoelektrische Keramiken weisen zusätzlich eine spontane Polarisation auf, d. h. der positive und der negative Ladungsschwerpunkt der Elementarzellen sind voneinander getrennt. Gleichzeitig verlängert sich die Achse der Elementarzelle in Richtung der spontanen Polarisation und es kommt zu einer spontanen Dehnung.

Der Piezoeffekt natürlicher monokristalliner Materialien wie Quarz, Turmalin und Seignette-Salz ist verhältnismäßig klein. Polykristalline ferroelektrische Keramiken wie Bariumtitanat (BaTiO ) und Blei-Zirkonat- Titanat (PZT) zeigen höhere Auslenkungen bzw. induzieren größere elektrische Spannungen. PZT-Piezokeramik ist in vielen Variationen verfügbar und die am häufigsten verwendete Keramik für Aktor- oder Sensoranwendungen. Spezielle Dotierungen der PZT-Keramiken z. B. mit Ni-, Bi-, La-, Nd-, Nb-Ionen ermöglichen es, die piezoelektrischen und dielektrischen Parameter gezielt zu optimieren.

Unterhalb der Curie-Temperatur TC wird die Gitterstruktur der PZT-Kristallite verzerrt und asymmetrisch. Es entstehen Dipole und die für die Piezotechnologie interessanten rhomboedrischen bzw. tetragonalen Kristallitphasen bilden sich heraus. Die Keramik weist eine spontane Polarisation auf. Oberhalb der Curie-Temperatur verliert eine Piezokeramik ihre piezoelektrischen Eigenschaften.

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Ferroelektrische Polarisation

Zur Minimierung der inneren Energie des Materials bilden sich in den Kristalliten der Keramik ferroelektrische Domänen. Innerhalb dieser Volumenbereiche sind die Orientierungen der spontanen Polarisation gleich.

Die unterschiedlichen Ausrichtungen aneinandergrenzender Domänen sind durch Domänenwände getrennt. Um die Keramik auch makroskopisch piezoelektrisch zu machen, ist ein ferroelektrischer Polungsprozess nötig.

Dabei wird ein starkes elektrisches Feld von einigen kV/mm angelegt, das im zuvor ungeordneten Keramikverbund eine Asymmetrie erzeugt. Das elektrische Feld sorgt für eine Umorientierung der spontanen Polarisation. Gleichzeitig wachsen Domänen mit günstiger Orientierung zur Polungsfeldrichtung, solche mit ungünstigerer Orientierung schrumpfen. Die Domänenwände werden dabei im Gitterverband verschoben.

Nach dem Polungsprozess bleibt der größte Teil der Umorientierungen auch ohne elektrisches Feld erhalten. Ein geringerer Teil der Domänenwände wird jedoch beispielsweise durch innere mechanische Spannungen zurück verschoben.

Ausdehnung der polarisierten Piezokeramik

Das erneute Anlegen eines Feldes unterhalb der Polungsfeldstärke führt zu einer Ausdehnung der Keramik. Ein Teil dieses Effekts ist auf die piezoelektrische Ionenverschiebung im Kristallgitter zurückzuführen und heißt intrinsisch.

Der extrinsische Anteil beruht auf einer reversiblen ferroelektrischen Umorientierung der Elementarzellen. Er erhöht sich mit wachsender Ansteuerfeldstärke und ist für den wesentlichen Teil der nichtlinearen Hysterese- und Drifteigenschaften von ferroelektrischen Piezokeramiken verantwortlich.

Elektromechanik

Polarisierte piezoelektrische Materialien werden durch verschiedene Parameter und Zusammenhänge charakterisiert. 
In vereinfachter Form sind die Grundzusammenhänge der elektrischen und elastischen Eigenschaften wie folgt darstellbar:

D Elektrische Flussdichte
T Mechanische Spannung
E Elektrisches Feld
S Mechanische Dehnung
d Piezoelektrischer Ladungskoeffizient
εT Permittivität (für T = konstant)
sE Nachgiebigkeits- bzw. Elastizitätskoeffizient
(für E = konstant)

Diese Beziehungen gelten nur für kleine elektrische und mechanische Amplituden, sogenannte Kleinsignalwerte. In diesem Bereich sind die Zusammenhänge zwischen mechanischer, elastischer Deformation S bzw. Spannung T und elektrischem Feld E bzw. elektrischer Flussdichte D linear, und die Werte für die Koeffizienten sind konstant.

In den Werkstoffdaten werden diese Kleinsignalkoeffizienten angegeben:

Zuordnung der Achsen

Zur Festlegung der Richtungen werden die Achsen 1, 2 und 3 eingeführt (analog zu den X-, Y- und Z-Achsen des kartesischen Koordinatensystems). Die Drehachsen, auch U, V, W, werden mit 4, 5 und 6 bezeichnet.

Die Polarisationsrichtung (Achse 3) wird während der Polung durch ein starkes Feld zwischen den Elektroden festgelegt. Dort wird die größte Auslenkung der Piezokeramik erreicht.

Da das piezoelektrische Material anisotrop ist, werden die entsprechenden physikalischen Größen durch Tensoren beschrieben. Die piezoelektrischen Koeffizienten werden daher entsprechend indiziert.

Piezoelektrische Koeffizienten

Dynamisches Verhalten

Das elektromechanische Verhalten eines zu Schwingungen angeregten piezoelektrischen Körpers lässt sich mit einem elektrischen Ersatzschaltbild darstellen.

C0 ist dabei die Kapazität des Dielektrikums. Die Reihenschaltung aus C1, L1 und R1 beschreibt die Änderung der mechanischen Eigenschaften wie elastische Deformation, effektive Masse (Trägheit) und mechanische Verluste durch innere Reibung. Diese Schwingkreis-Beschreibung ist allerdings nur für Frequenzen in der Nähe der mechanischen Eigenresonanz anwendbar.

Die meisten piezoelektrischen Materialparameter werden über Impedanzmessungen an speziellen Prüfkörpern im Resonanzfall bestimmt. Für die Bestimmung der piezoelektrischen Kennwerte werden die Serien- und Parallelresonanz herangezogen. Diese entsprechen in guter Näherung dem Impedanzminimum fm und -maximum fn.

Schwingungsformen piezokeramischer Komponenten

Schwingungszustände bzw. -formen und Deformation werden maßgebend von der Geometrie des Körpers, mechano-elastischen Eigenschaften und der Polarisationsrichtung bestimmt.

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Dynamisches Verhalten

Schwingungsformen von piezokeramischen Körpern

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